Laudatio aus Anlass des 80-jährigen Jubiläums der Stadtwache der Bedburger Narrenzunft von 1886

 Sehr geehrter Herr Bürgermeister Schmitz,

sehr geehrte Vertreter des Karnevalsverbands Rhein-Erft,

sehr geehrte Vertreter der ortsansässigen Vereine,

liebe Ehrengäste,

meine sehr verehrten Damen und Herren,

liebe Karnevalsfreunde,

wenn man sich mit der Aufgabenstellung einer Laudatio für die Stadtwache der Bedburger Narrenzunft von 1886 befasst, bei der es sich ja nun anerkanntermaßen um eine besondere Gruppierung unseres Karnevalsvereins handelt, könnte der vordergründige Betrachter auf die Idee kommen, dass es sich nur um den Bericht unterhaltsamer Ereignisse oder aber eine Aneinanderreihung von Anekdoten handeln würde.

 

Jedoch bereits der erste Blick auf geschichtliche Zusammenhänge und zeitliche Abläufe lässt die Vermutung entstehen, dass Vorgänge in Brauchtumsvereinen des Rheinischen Karnevals, die weit in das vorletzte Jahrhundert zurückreichen, eine ganz andere historische Dimension haben, als einfach nur oberflächlichen Frohsinn.

 

Die erste Erkenntnis, die bei der Durchsicht des Archivs der Zunft ins Auge springt, ist zunächst einmal der Umstand, dass es sich bei der Stadtwache der BNZ keineswegs um eine geborene Abteilung unseres Traditionsvereins handelt. Da wir in diesem Jahr „erst“ das 80-jährige Jubiläum einer 128-jährigen Gesellschaft feiern, ergibt sich als logische Folge die Tatsache, dass bei den karnevalistischen Ursprüngen der Bedburger Narrenzunft keineswegs eine Zwangsläufigkeit einer solchen Gruppe gegeben war und es auch nicht typisches karnevalistisches Gedankengutes gab, die äußere Erscheinung in Form eines militaristisch anmutenden Chores darzustellen. Insofern waren die Ursprünge nicht mit den Kölner Corps identisch.

 

Die Chronik weist folgerichtig als Gründungsdatum der damals noch als „Funkenchor“ bezeichneten Gruppierung die Session 1933/1934 aus.

 

Zur Verdeutlichung der historischen Dimension und auch zur gesellschaftspolitischen Einordnung dieses Vorgangs muss gerade auch gerichtet an die jüngeren Gäste des heutigen Abends ein kleiner geschichtlicher Diskurs vorgenommen werden.

 

Die Weltgeschichte des Jahres 1933 war geprägt durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten unter Adolf Hitler im Deutschen Reich und dem damit verbundenen Ende der Weimarer Republik. Bereits diese enorme emotionale Diskrepanz zwischen zeitgeschichtlichem Geschehen und den Ereignissen im Bedburger Karneval zeigt aber auch, dass den karnevalistischen Unternehmungen immer eine zeitkritische und antizyklische Bewertung des gesellschaftlichen Geschehens inne gewohnt hat. So ist für das Jahr 1934 als weiteres historisches Ereignis zu vermerken, dass in diesem Jahr der Reichspräsident Paul von Hindenburg verstarb und sich Adolf Hitler als Reichspräsident und Reichskanzler an die Spitze des Staates stellte. Im Nachbarland Österreich kam es bereits erstmalig zu einem Bürgerkrieg und in China begann unter der Führung von Mao Zedongs der sogenannte „lange Marsch“ der roten Armee, der fast ein Jahr dauerte und den von den ursprünglich 100.000 Marschierenden nicht einmal 10 % überlebt haben. Auch unpolitisch gab es in diesem Zeitfenster durchaus erwähnenswerte Ereignisse.

 

So gewann im Jahre 1934 Italien die Fußballweltmeisterschaft vor der Tschechoslowakei, Deutschland und Österreich. Der Nobelpreis für Chemie wurde für die Entdeckung des schweren Wasserstoffs an Harold C. Urey aus den Vereinigten Staaten verliehen.

 

In dieses geschichtliche und gesellschaftspolitische Umfeld reiht sich nunmehr die fast beiläufige handschriftliche Notiz des Elferrates Willi Schopen ein, wonach es eine Funkengruppe als Staffage gab und diese Funken keine Mitglieder der Zunft seien.

 

Vorausgegangen war dieser Bemerkung eine intensive Gründungsdiskussion, die vom damals amtierenden Präsidenten Jupp Schneider als „Matrosengruppe“ in die Diskussion eingebracht wurde. Zur allgemeinen Erleichterung aller hier anwesenden kann auch heute noch festgestellt werden, dass sich dieser Gedanke glücklicherweise nicht durchgesetzt hat, sondern sehr schnell die Bezeichnung als „Funkengruppe“ Akzeptanz fand und die Versammlung mit dieser Beschreibung überzeugt werden konnte.

 

Auch vor 80 Jahren schloss sich dann allerdings eine heftige und intensiv geführte Diskussion über die Gestaltung und die Kosten der Uniformen an. Diese Tradition hat sich bis zum heutigen Tage tapfer und beständig erhalten und ist auch für den amtierenden Vorstand stets eine Herausforderung. Er muss zwischen den unerschöpflichen gestalterischen Vorschlägen der Damen und Herren der Stadtwache und der finanziellen Weitsicht und dem Verantwortungsbewusstsein des Schatzmeisters ausgleichen.

 

Erwähnenswert ist allerdings auch noch die Abfolge der Diskussion. Zunächst wurde über Kosten und Uniformen diskutiert. Nachdem hierüber Einvernehmen hergestellt worden war, mussten nur noch die Mitwirkenden gefunden werden.

 

Auch hier findet sich eine bemerkenswerte Parallelität zu dem ein oder anderen aktuellen Ereignis.

 

Eine wichtige Information für das historische Verständnis der Stadtwache ist der Hinweis, dass es sich bei den Gründungsmitgliedern der Funken des ersten Jahres alles um „echte“ Bedburger gehandelt hat. Neben dem damals noch männlichen Mariechen, das  als erstes von Alfred Ruland verkörpert wurde, der später zu unserem Ehrenkommandanten aufstieg, sind noch Namen wie Istas, Koberstein und Jüsgen sowie die auch heute noch in der Zunft intensiv vertretenen Namen Neunzig, Hohenschon, Wolter und Jungbluth zu erwähnen.

 

Einen ersten Auftritt erlebte die Stadtwache am 04.01.1934 in der durchgeführten – man höre – Gala-Damensitzung, bei der unter dem fünften Programmpunkt aufgeführt war „Aufmarsch und Tanz unserer Funken“.

 

Gleichwohl waren die Funken zum damaligen Zeitpunkt nach wie vor noch keine „vollwertigen Mitglieder“ der BNZ. Nichts desto trotz wurde der Auftritt im damals wichtigsten Nachrichtenorgan der Stadt Bedburg, „dem Erft-Boten“ erwähnt und mit hohem Lob belegt.

 

Die Stadtwache arbeitete sich sodann stetig in die Wahrnehmung des Publikums. Es dauerte allerdings gleichwohl bis zum 15.01.1938, als die Funken dann endlich zu vollwertigen Mitgliedern der Zunft ernannt wurden. Allerdings stand dies unter der ausdrücklichen Bedingung, dass sie keiner anderen karnevalistischen Gesellschaft angehören durften. Bedauerlicherweise führte dies auf der Stelle zum Austritt zweier Funken, die gleichzeitig auch der zweiten und damals noch sehr jungen Bedburger Gesellschaft angehörten.

 

Die Schrecken des II. Weltkriegs ließen sodann allerdings bald keine Gedanken mehr an Karneval und freudiges Feiern aufkommen.

 

Erst im November 1947 erteilte das Elferratsmitglied Willi Schopen dem Altfunken Jakob Wolter den Auftrag, sich um Uniformen für das Chor zu bemühen. Dies war umso schwieriger, als die im II. Weltkrieg in Bedburg einrückenden amerikanischen Soldaten alle Kostüme so zerschnitten hatten, dass sie nicht mehr restauriert werden konnten. Jakob Wolter wurde jedoch in Korschenbroich fündig und stattete die Funken mit geliehenen Kostümen aus. Zu diesem Zeitpunkt wurde im Übrigen unverändert die Rolle des Mariechens noch mit männlichen Funken besetzt.

 

In den handschriftlichen Vermerken der Präsidenten, so etwa aus dem Jahre 1948, wurde das besondere Erscheinungsbild und die Leistung des Funkenchors gewürdigt und sie wurden ab diesem Zeitpunkt zu Repräsentanten der Zunft erhoben.

 

Nachdem man sich in der Session 47/48 als Gäste der Ehrengarde in Köln karnevalistisch die höheren Weihen geholt hatte, wurde auch für das Jahr 1949 in Aussicht gestellt, dass das neuuniformierte Chor erneut in Köln auftreten würde.

 

Hierum hatte der damalige Präsident der Ehrengarde der Stadt Köln, Ferdi Leisten, nachhaltig mit der Voraussage gebeten, dass dieses Chor in Köln wahre Triumphe feiern würde.

 

Dies war eine  weitsichtige Vorhersage aus berufenem Munde, die sich auch heute noch als realistische Einschätzung der besonderen Leistungen und der herausragenden Darstellung der Stadtwache bewahrheitete.

 

Die Stadtwache gewann sodann in der Folgezeit immer mehr an Mitgliedern und karnevalistischer Routine.

 

Eine grundlegende Veränderung im äußeren Erscheinungsbild erfolgte in der Session 1949/1950, als vom Funkenhut, der aus Köln übernommene Hutschmuck in Form von Hering und Pfeife gegen die bodenständige und ortstypische Zuckerrübe ausgetauscht wurde.

 

Auch in den früheren 50igern blieb es bei der hartnäckigen Tradition, die Rolle des Mariechens durch Männer zu besetzen. Nach einem regelrechten Casting wurde etwa am 11.12.1953 der Vielen noch bekannte Hubert Clemens zum Mariechen der Zunft ernannt. Welche Kriterien jedoch für die Auswahl herangezogen worden sind, ist leider nicht überliefert.

Die durchaus liebreizende Erscheinung des Mariechens ist noch auf alten Bildern belegt.

 

Im Jahre 1961 war es dann endlich soweit.

 

Die BNZ brach im Rahmen ihrer Stadtwache mit der alten Tradition und erstmalig wurde das stets liebreizende Mariechen auch von einem tatsächlich liebreizenden weiblichen Mitglied verkörpert.

 

Als erstes Mariechen der Zunft präsentierte sich Marlies Jungbluth, geborene Robertz, mit ihrem Tanzoffizier Hans Engels. Diese denkwürdige Veränderung stand natürlich in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Jubiläumsjahr und vor allen Dingen der Regentschaft seiner Tollität Hans I., Hans Schievenbusch, unserem unvergessenen Ehrenvorsitzenden.

 

Die Stadtwache zeichnete sich im Übrigen immer durch besondere Persönlichkeiten aus. So wurde die Funktion des Kommandanten von unvergessenen BNZ´lern, wie unserem Ehrenkommandanten Alfred Ruland, Fritz Noppeney, unserem Ehrenbürger der Stadt Bedburg Leo Noppeney, Heini Hamacher, unserem Ehrenpräsidenten Hans-Peter Wolter und im weiteren Verlauf Willi Ludwig oder Hans Königs ausgeübt.

 

Seit über 25 Jahren nimmt die Rolle nun unser Kommandant Engelbert – genannt Berti – Heiartz wahr, der noch im 100-jährigen Jubiläumsjahr 1986 als einer der insgesamt man höre und staune 4 Tanzpaare das Publikum begeisterte.

Neben Angela Clemens, Petra vom Berg, Barbara Uerlings und Sandy Lerchl waren zusätzlich als Mariechen auf der Bühne zu sehen Yvonne Ackermann, Nicole Mörckels und Maren Jaedtka. Wer an dieser Stelle aufmerksam mitgezählt hat, wird feststellen, dass wir es damals insgesamt auf 7 Mariechen in einer Zunft gebracht haben. Die Vorstellung der hiermit notwendigerweise verbundenen Ausstattungskosten würde unserem Schatzmeister heute eine gehörige Blässe um die Nase entstehen lassen lassen.

Um aber diesen bemerkenswerten Anteil an zauberhaften Mitgliedern wieder aufleben zu lassen, hat sich die Stadtwache in der Zwischenzeit durch die Markentenderinnen verstärkt. Allerdings hat dies auf die Frage der Kostümkosten keinen senkenden Einfluss gehabt. Schönheit hat nun mal ihren Preis und Hermann hat sich daran gewöhnt.

 

Seit dem 100-jährigen Jubiläum ist die Stadtwache nun unumstößlicher Bestandteil der gesamten Zunft und stolzes Aushängeschild unseres Traditionscorps.

 

Im Jahre 1997 folgte sodann nach der 111-jährigen Session noch eine Ergänzung, als sich einige, altgediente Funken dazu entschlossen, zwar am Zunftleben und an den Aktivitäten der Stadtwache unverändert intensiv teilzunehmen, das Ganze allerdings doch etwas ruhiger angehen zu lassen und es wurde auf Initiative unserer unvergessenen Walter Bünnagel und Edgar Ackermann im Zusammenwirken mit Peter Meuter sen., Heinz Kerp, Helmut Dohmke, Horst von Danwitz und Norbert – Niff –Jungbluth, Hermann Josef – Bimbo – Jungbluth, Hans Michels sowie meiner Person das Offizierschor alsKomplettierung der Truppe gegründet.

 

Auch an dieser Stelle wiederholte sich das seinerzeitige Ritual, dass es eigentlich erst einmal darum ging, die Uniformen und das notwendige Lametta zu entwerfen, bevor die dazugehörigen Personen gewonnen werden konnten.

 

In der Zwischenzeit ist allerdings auch diese Alters- und Ehrenabteilung der Stadtwache unverzichtbarer Bestandteil.

 

80 Jahre Stadtwache sind mithin weit mehr als nur ein sehr, sehr langes Menschenleben. 80 Jahre Stadtwache sind auch ein Spiegel karnevalistischer Entwicklung, der Fähigkeit schwerwiegende historische Phasen zu überstehen und mit ungebrochenem Frohsinn und Gemeinschaftsgeist dem rheinischen Karneval die Treue zu halten.

 

Wen wundert es in diesem Zusammenhang, wenn ungekrönter Höhepunkt einer jeden Sitzung der Bedburger Narrenzunft der Auftritt der Stadtwache mit seinem stolzen Chor ist und die Damen der Bedburger Gesellschaft unverändert spitze Schreien ausstoßen, wenn die Funken zum Stippefötche in die Knie gehen.

 

Wer in der Geschichte übrigens die Erwähnung der Fanfaren vermisst, dem ist zu erklären, daß die Fanfaren eine eigene Abteilung der Zunft mit eigener Geschichte sind und auch eine eigene Historie aufzuweisen. Auch dort konnten wir schon Jubiläen feiern. Natürlich sind sie der Stadtwache innerlich angeschlossen.

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Karnevalsfreunde,

Karneval in einem Traditionschor zu erleben, ist ein Jungbrunnen und ist ein Bindeglied für Jung und Alt und ein Garant für einen absoluten Augenschmaus an Damen und Herren oder besser gesagt an Mariechen, Marketenderinnen, Funken und Offizieren.

 

Auch ich habe meine karnevalistische Laufbahn letzten Endes bei der Stadtwache begonnen und unser Kommandant gibt immer noch gerne mal zum Besten, dass ich pflichtbewusst und ehrfurchtsvoll als Bewerbung für die Stadtwache bei ihm zum Vortanzen vorgesprochen habe. Sein erstauntes Gesicht ist mir auch heute noch in bester Erinnerung. Ich glaube es ist auch nur seiner Rührung zuzuschreiben, daß ich dann als Funke aufgenommen wurde. Echtes Talent war es jedenfalls nicht.

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Karnevalsfreunde, ich gratuliere als erster Vorsitzender unserer Stadtwache von Herzen zu ihrem 80. Geburtstag, eine altehrwürdige und doch ewig junge Truppe. Ich freue mich ganz besonders, ein Mitglied der Stadtwache sein zu dürfen.

 

Deshalb grüße ich an dieser Stelle mit einem dreimol von HätzeBebber Alaaf

 

Dr. Georg Kippels

  1. Vorsitzender

 

Es gilt das gesprochene Wort.

Bedburg, 29.11.2013