90 Jahre Stadtwache

Von Carsten Esser

Die Stadtwache ist ein – wenn nicht DAS – Aushängeschild der Bedburger Narrenzunft von 1886 und hat in seiner langen Geschichte schon einiges erlebt. Seit der Gründung im Jahr 1933 – hier war die Narrenzunft schon fast ein halbes Jahrhundert im Karneval aktiv – hat die Stadtwache alle Höhen und Tiefen miterlebt. Hier spielten neben vereinsinternen Veränderungsprozessen natürlich auch äußere Umstände eine nicht unwesentliche Rolle. Dies trifft auch auf das letzte Jahrzehnt der Stadtwache zu, denn es war geprägt von Wandel, Bruch und Aufbruch.

Während die ersten acht Jahrzehnte der Stadtwache sehr männlich geprägt waren und die Mariechen in der Regel die einzigen Vertreter des – das muss der männliche Autor dieser Zeilen neidlos anerkennen – attraktiveren Geschlechts waren, so ist die Stadtwache in den letzten Jahren deutlich weiblicher geworden. Zwar gibt es die Marketenderinnen schon seit etwa der Jahrtausendwende, aber erst im letzten Jahrzehnt ist die Gruppe ein wirklich nicht wegzudenkender Bestandteil der Stadtwache geworden; im Jubiläumsjahr zählt die Gruppe mehr als 20 Mitgliederinnen.

Aber bei den Marketenderinnen ist es nicht geblieben. Erst kürzlich wurde mit der Abteilung der Offizierstöchter eine wichtige, jahrzehntelange Lücke geschlossen. Viele Jahre zuvor hatten wir ehemals aktiv tanzenden Mariechen oder Marketenderinnen in der Stadtwache keine Heimat bieten können. Sie blieben der Zunft zwar meist gewogen, konnten aber nicht mehr am Bühnengeschehen teilnehmen. Das hat oft geschmerzt, weil in diesen Personen leidenschaftliche Karnevalistinnen steckten. Mit der Jubiläumssession gehen die Offizierstöchter endlich richtig an den Start und sind auf Anhieb eine stolze Truppe mit schicken neuen Uniformen. Die Anziehungskraft einer solchen Abteilung wurde wahrscheinlich lange unterschätzt, denn neben den ehemaligen aktiven Damen haben auch komplett neue Zünftlerinnen den Weg zur Stadtwache gefunden.

Die Stadtwache ist in den letzten 10 Jahren aber nicht nur weiblicher, sondern auch jünger geworden. Während am Anfang des Jahrtausends noch zarte Pflänzchen mit den „Müus“ und später mit den „Pänz“ gepflanzt wurden, so sind die Kinderabteilungen in den letzten Jahren förmlich – im besten karnevalistischen Sinne – explodiert. Neben den Pänz gibt es nun seit einigen Jahren mit den „Ströppche“ die Abteilung für die ganz Kleinen von 0 – 6 Jahren und ab der diesjährigen Jubiläumssession auch noch die „Zunftstääne“, welche die Altersspanne zwischen den Pänz und den Markentenderinnen sinnvoll schließen.

Die Verjüngung macht sich aber auch bei den Fanfaren bemerkbar, was sicherlich noch einmal besonders hervorzuheben ist. Wenn sich Kinder aufmachen, ein Instrument zu erlernen, um damit das Brauchtum zu unterstützen, verdient dies höchsten Respekt.

Durch all diese Prozesse präsentiert sich die Stadtwache der alten BNZ heute als karnevalistische Heimat für aktive Karnevalisten im Alter von 0 – 111 Jahre oder als Zunft für die ganze Familie.

Diese Entwicklung führt dazu, dass die Stadtwache – bei voller Personenzahl vom Ströppchen bis zum Offizier – auch große Bühnen problemlos füllen und ein abwechslungsreiches Programm darbieten kann.

Das bleibt natürlich nicht unbemerkt und führte in den letzten Jahren dazu, dass die „gebuchten“ Auftritte deutlich mehr geworden sind. So gibt es mittlerweile Veranstaltungen, wo die Stadtwache fast schon Stammgast ist, aber auch immer wieder Anfragen von neuen Veranstaltern, so dass die Zunft mittlerweile im ganzen Rheinland unterwegs und bekannt ist.

Neben den Bühnenauftritten ist die Stadtwache aber auch Garant dafür, dass die eigenen Veranstaltungen der Zunft durchgeführt werden können. Nicht ganz ohne Stolz kann man sagen, dass wesentliche Bestandteile, die jetzt fest zum Portfolio der Bedburger Narrenzunft gehören, in der Stadtwache ihren Ursprung gefunden haben.

So ist neben dem Familiensommerfest oder dem Stippeföttchefess, sicher ganz besonders das BNZ Summerjeck Festival zu nennen, welches mittlerweile zu einem überregional bekannten Festival gewachsen ist, das fest zum Kulturkalender unserer Heimatstadt gehört.

Aber, wie zu Beginn dieser Zeilen schon angerissen, musste die Stadtwache auch schwere Einschnitte und große Herausforderungen meistern. Die Pandemie bedeutete einen Bruch, der in der Form viel abverlangt hat und auch Narben hinterlassen hat. Eine Karnevalsgesellschaft und im speziellen die Stadtwache lebt vom Zusammenhalt und der unbeschwerten Geselligkeit – das musste während der Pandemie ruhen und hat die Stadtwache im Kern getroffen. Tatsächlich ist es auch so, dass einige Mitglieder nach der Pandemie nicht mehr den Weg zurück zum Korps fanden, was natürlich sehr bedauerlich ist. 

Die Mitgliederzahlen der Stadtwache und der gesamten Narrenzunft zeigen – auch abseits der eingangs beschriebenen Entwicklungen – insgesamt aber ein positives Bild, denn sie sind trotz, oder vielleicht auch wegen der Pandemie deutlich gestiegen. Dies stellt die Narrenzunft zwar auch vor Herausforderungen (z.B. bei der Ausstattung von Aktiven), aber diese sind im Gegensatz zu den Widrigkeiten der Pandemie als positive Herausforderungen zu werten.

Die Stadtwache hat sich also, wie schon in den 90 Jahren zuvor, als krisenfest bewiesen, scheint unverwüstlich und bereit für das nächste Jahrzehnt. Der Slogan während der Pandemie hieß nicht umsonst #unskrittkeinerklein.

Unter den vielen personellen Wandlungen und Veränderungen sollte eine Person nicht unerwähnt bleiben, die das Wirken der Stadtwache wie keine andere geprägt hat. Der jetzige Ehrenkommandant Berti Heiartz hat nach über 30 Jahren das Amt abgegeben und schaut sich das ganze „Schmölzje“ nun aus der zweiten Reihe an. In diesem Jahr ist er ebenfalls ein Jubilar und feiert seine 50jährige Mitgliedschaft.

Lieber Berti – die Stadtwache hat Dir und Deinem Wirken eine ganze Menge zu verdanken und ohne dich stünde die Truppe nicht da, wo sie heute stünde.
Dafür ein Riesen-DANKESCHÖN!

Die Stadtwache freut sich auf das nächste Jahrzehnt und blickt zuversichtlich in die Zukunft.

Auf die Stadtwache – Auf die ZUNFT ein schallendes drejmol
Bebber – Alaaf!          Bebber – Alaaf!          Bebber – Alaaf